Essstörungen
Aus Haut und Knochen
Überall leuchten uns Werbeanzeigen von extrem dünnen Menschen entgegen, die suggerieren, dass der Betrachter angeblich zu dick sei. Diese Einstellung der Gesellschaft, dass nur schlanke Menschen schön sein können, bleibt nicht ohne Folgen: vor allem Jugendliche erkranken immer häufiger an Magersucht. Doch was ist das überhaupt?
Wenn Hannah* in den Spiegel blickt, sieht sie nur eins: Ein stark übergewichtiges Mädchen. Sie sieht die scheinbaren Fettpolster. Und sie hört die Stimme in ihrem Kopf, die sie dazu auffordert, noch mehr abzunehmen.
Wenn andere Hannah sehen, sehen sie ein dünnes, abgemagertes Mädchen, eines, bei dem jeder Knochen zu sehen ist. Hannah ist ein Fallbeispiel, um auch nur annähernd zeigen zu können, wie es vielen Magersüchtigen ergeht. Denn so heißt Hannahs Krankheit: Magersucht. Aber keineswegs besteht Anorexia nervosa, wie sie in Fachkreisen genannt wird, nur aus dem Wunsch, viel Gewicht zu verlieren. Und keineswegs darf sie als harmloses Hirngespinst abgetan werden: Jede*r zehnte Betroffene stirbt daran, sei es durch das lebensgefährliche Untergewicht, das durch das Essverhalten ausgelöst wird, oder durch Suizid.
Etwa 0,5-1% der deutschen Bevölkerung ist von der Magersucht betroffen, meist Mädchen und Frauen, aber - wenn auch seltener - auch Jungen und Männer. Die Gründe, warum jemand magersüchtig wird, sind vielfältig: So können zum Beispiel Stress, Depressionen oder Leistungsdruck Ursachen für Magersucht sein, jedoch dürfte auch das westliche Schönheitsideal eine Rolle spielen. In Fernsehsendungen wie „Germany ́s Next Topmodel“, aber auch im normalen Alltag wird das Bild vermittelt, dass Schönsein auch zwangsläufig Dünnsein bedeutet. In beinahe jeder Frauenzeitschrift wird eine neue Diät vorgestellt, die suggeriert, dass der Leser oder die Leserin angeblich zu dick sei. Vor allem in der Pubertät, wenn viele junge Menschen ein sowieso schon niedriges Selbstbewusstsein haben, steigt somit das Risiko, magersüchtig zu werden.
Etwa 50% der Magersüchtigen können geheilt werden, während die anderen 50% zeitlebens Probleme mit Bulimie (Ess-Brech-Sucht), Binge-Eating oder Magersucht haben. Meist wird Magersucht mit stationären oder ambulanten Therapien behandelt, wobei der/die Betroffene im Idealfall von einem Team aus Ärzten, Psychotherapeuten und Diätassistenten behandelt wird, da es Ziel der Behandlung ist, nicht nur das Gewicht wieder zu normalisieren, sondern auch das Ernährungsbewusstsein und Essverhalten.
Doch der Weg aus der Magersucht ist meist hart, da sich auch die Wahrnehmung verzerrt. Egal wie untergewichtig die Betroffenen sind, sie selbst sehen sich als übergewichtig an.
Und dann gibt es da auch noch die Pro-Ana-Gruppen: Das sind Betroffene, die ihre Krankheit verherrlichen, die sich in WhatsApp-Gruppen, Foren oder Blogs gegenseitig zum weiteren Abnehmen „motivieren“ wollen oder die Magersucht als Lifestyle sehen. Sprüche wie „Nichts schmeckt so gut wie es sich anfühlt, dünn zu sein“ werden versendet oder Bilder von extrem dünnen Menschen, sogenannte „ Thinspirations“ werden geteilt.
Diese Foren machen es Betroffenen noch schwieriger, von ihrer Krankheit geheilt zu werden, da hier eine Art Gruppenzwang entstehen kann. So werden in manchen Foren etwa wöchentliche Beweise dafür verlangt, dass man weiter abnimmt, wie zum Beispiel ein Bild von der Waage oder Ähnliches. Zum Glück sperren Suchmaschinen wie Google viele dieser Seiten, jedoch sollte meiner Meinung nach noch mehr getan werden, solche Foren oder Links zu WhatsApp-Gruppen nicht mehr zugänglich zu machen, da diese eine enorme Gefahr und ein Suchtpotenzial darstellen können.
Wenn ihr selbst von der Krankheit betroffen seid oder jemanden kennt, der magersüchtig ist, redet bitte mit jemandem, dem ihr vertraut oder wendet euch an die BZgA( Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - https://www.bzga-essstoerungen.de). Dort gibt es vielfältige Hilfe für alle Betroffenen, denn keiner sollte mit dieser Krankheit allein gelassen werden!
* Der Name wurde von der Redaktion geändert.
Von Lena Einsiedl