WM-Spezial
Lichtjahre vom Wintermärchen entfernt – die WM in Katar
Fußball: Seit Jahrzehnten ein Sport mit einer großen internationalen Bühne. Doch er ist nicht mehr das, was er einmal war - spätestens seit der Vergabe der WM an Katar. Warum ist diese Entwicklung so kritisch zu sehen?
2014 bestimmte das - äußerst unbestechliche – Exekutiv-Komitee der FIFA Russland und Katar als Träger der WM 2018 bzw. 2022.
Eben dieser Ausschuss verschwand zwei Jahre später wegen Korruptionsvorwürfen und der folgenden Verhaftung einiger Mitglieder klammheimlich im Erdboden.
Schon damals war klar, dass die Rahmenbedingungen, unter denen die Weltmeisterschaften stattfinden würden, weniger als optimal sind. Doch der Aufschrei kommt Lichtjahre zu spät. Was lief damals so gewaltig schief?
Es ist wohl ein offenes Geheimnis, dass Unsummen an Geldern – im sechsstelligen Bereich - geflossen sind, um die WM nach Katar zu holen. Ganz abgesehen von dem Aufwand, der betrieben wurde, um sie zu realisieren: Insgesamt wurden mehr als 202 Milliarden US-Dollar ausgegeben und acht nigelnagelneue Stadien aus dem Wüstenboden „gestampft“. Da stellt sich doch die Frage, weshalb diese Weltmeisterschaft für ein Land ohne Fußballhistorie so einen großen Stellenwert hat.
Seit in den Siebzigern das weltweit größte Erdgasfeld vor der Küste Katars entdeckt wurde, entwickelte sich der kleine Golfstaat zu einem der wohlhabendsten Ländern der Welt. Und auch sein internationaler Einfluss steigt nach wie vor - nicht nur durch die allgegenwärtige Energiekrise.
Katar ist ein wichtiger Lieferant, diplomatischer Partner und ein Militärstützpunkt der USA. Und auch Deutschland hat politische und wirtschaftliche Beziehungen mit dem Golfstaat. Erst dieses Jahr wurde eine Energiepartnerschaft unterzeichnet und darüber hinaus kauft sich Katar seit Jahren mit Milliarden in deutsche Firmen wie Siemens, Deutsche Bank oder VW ein.
Nun, kurz vor und zu Beginn der WM werden plötzlich Stimmen laut, die die bestehenden Missstände in Katar anprangern:
Gastarbeitern, die aus den ärmsten Ländern der Welt einreisen, wie beispielsweise Nepal, Bangladesch oder Pakistan, um Arbeit in einem der reichsten Länder der Welt zu finden, wird schon bei der Ankunft der Pass abgenommen. Sie werden mit Knebelverträgen an ihre Arbeitgeber gebunden und müssen stundenlang, unter menschenrechtswidrigen Bedingungen, in der Hitze schuften. Das versprochene Honorar bleibt den Arbeitern entweder ganz verwehrt oder wird nur teilweise ausgezahlt.
Mehrere Tausende starben bereits bei der harten Arbeit. Doch die genaue Zahl bleibt unklar, denn die Regierung in Katar vertuscht die Toten. Die betroffenen Familien bekommen im Todesfall ihre Männer in einem Sarg zurück.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Umgang mit Homosexualität. Homosexualität ist in Katar gesetzlich verboten. Dementsprechend werden Homosexuelle verfolgt und strengstens bestraft: Die Regierung steckt sie in eine sogenannte „Umerziehungstherapie“, in der sie schwer misshandelt werden. Aus seiner Homophobie macht der Staat keinen Hehl: niemand geringer als der WM-Botschafter von Katar, Khalid Salman, bezeichnet Homosexualität in der Öffentlichkeit als „geistige(n) Schaden“. Auch diese Botschaft: unmissverständlich.
Generell lässt auch die Geschlechtergerechtigkeit in Katar stark zu wünschen übrig: In dem patriarchalischen Staat unterstehen Frauen ihren männlichen Vormündern und haben in der Politik oder der Arbeitswelt rein gar nichts zu suchen.
Die glänzende Fassade des Profifußballs beginnt zu bröckeln. 56% der Deutschen gaben bei einer repräsentativen Umfrage (Infratest-dimap im Auftrag der Sportschau) an, sich keine Spiele anschauen zu wollen und somit die WM zu boykottieren. Nach dem frühen Vorrunden-Aus der Nationalelf sollte dies für die meisten kein allzu großes Opfer gewesen sein…
Von Lysanne Hörl