Starke Frauen in der Mythologie
Circe und Medusa — starke Frauen oder böse Bestien?
Circe wurde verbannt, verlassen und alleine gelassen – und das alles nur wegen eines humanen Akts des Mitgefühls. Als Tochter des Helios, dem ursprünglichen Sonnengott der griechischen Mythologie, lernte sie früh das Leben in den glänzenden Hallen ihres Vaters kennen. Neben vielen Geschwistern, konnte sie weder große Schönheit noch jegliche Kräfte vorweisen.
Circe war eine Göttin – doch war sie machtlos.
Unbeliebt bei ihren Schwestern und verspottet von ihren Brüdern, widmete sie sich vollends ihrer Faszination für die Menschen. Ihre schwachen Körper, der Schmerz, den Circe selbst nicht fühlen konnte, die Gefühle, von denen Menschen geleitet wurden – das alles beeindruckte sie schwer.
Doch das Leben im Palast ihres Vaters lies keine Erforschung der Menschenwelt zu. Deswegen wurde sie eines Tages umso mehr in den Bann des Gefangenen Prometheus gezogen, der in Helios’ Hallen gebracht wurde, um für seine Taten bestraft und gefoltert zu werden. Er hatte den Göttern das Feuer gestohlen und den Menschen gebracht. Circe war voller Ehrfurcht für den Mann, der den Menschen half und als alle gegangen waren und nur noch sein ausgepeitschter Körper an den Fesseln hing, brachte sie ihm Nektar (ein magischer, heilender Trank der Götter) und fragte ihn über die Menschen aus.
Prometheus wurde dann jedoch von Zeus bestraft und Circe lebte weiter in ihrer Faszination. Sie war sogar einmal so verliebt in einen Menschen namens Gauklos, dass sie ihn in einen Gott verwandelte. Doch statt sie zu heiraten, wollte er sich mit der hübschen Nymphe Scylla verloben. Traurig und mit gebrochenem Herzen wandte sich Circe vollends der Hexerei zu. Sie braute einen Trank der Scylla in ein Seeungeheuer verwandelte, sodass sie schließlich von den anderen Nymphen verstoßen wurde. Doch anstatt nun Gauklos zu heiraten, erzürnte sie Zeus so sehr, dass Helios sie auf die einsame, magische Insel Aiaia verbannte, die sie nicht ohne Erlaubnis verlassen konnte.
Dort lebte sie nun, einsam und nur mit der Anwesenheit der Natur, und hin und wieder von einem Haufen verlorener Seefahrer. Jedoch, nach dem Versuch mehrerer, sie zu vergewaltigen und zu töten, begann sie, alle in Schweine zu verwandeln und sie auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Immer wieder wurde sie jedoch von Göttern und Männern zugleich ausgenutzt, wie auch dem berühmten Odysseus.
In der Odyssee wird sie immer als die Böse dargestellt – doch Circe war eine starke Frau, die auf ihre eigene Art versuchte, Mitleid zu zeigen und für ihre Gefühle aufrecht zu stehen. Wenn ihr mehr über sie erfahren wollt, empfehle ich euch das Buch „Ich bin Circe“ von Madeline Miller. Auch Medusa wird von den meisten historischen Texten als die „Böse“ dargestellt. Das hässliche Monster mit den Schlangenhaaren, das alle zu Stein erstarren lässt, die ihr in die Augen blicken. Doch in Ovids Metamorphosen wird beschrieben, dass sie nicht seit jeher eine Bestie war.
Medusa war die einzige Sterbliche der drei Gorgonen Stheno, Euryale und Medusa. Während ihre Schwestern entstellt und monströs waren, wurde Medusa von jedem Mann begehrt. Jedoch widmete sie ihr Leben Athene und schwor als ihre Priesterin auf Jungfräulichkeit. Sie war aber so hübsch, dass sogar der Meeresgott Poseidon sich in sie verliebte und sie in Athenes Tempel vergewaltigte.
Diese Entweihung ihrer heiligen Stätte machte die Göttin natürlich wütend, worauf sie Medusa verfluchte, sodass ihre Haare zu Schlangen wurden und alle, die ihr in die Augen blickten, zu Stein erstarrten. Diese monströsen Eigenschaften machten Medusa jedoch auch zum berüchtigten Ziel für Helden, wie auch Perseus, der sie aufsuchte, mit einem Spiegel überlistete und sie enthauptete. Ihr Kopf wurde zur Trophäe und zum Symbol der Athene.
Nun stellt sich für mich die Frage, wie diese Mythe zu verstehen ist.
Das wunderschöne Mädchen widmet ihr Leben einer Göttin, bleibt fromm und jungfräulich … ist das eine Art Appell an Leserinnen? Oder ist diese Ausgangslage einfach notwendig für den Verlauf der Geschichte?
In manchen Übersetzungen wird auch die Vergewaltigung nicht als solche dargestellt, sondern übersetzt, Medusa hätte Poseidon verführt und sie sei selbst an ihrem Schicksal schuld. Dann wäre es auch logisch, dass Athene sie mit ihrem Fluch bestrafte.
Doch vielleicht war diese Art der Strafe auch eher eine Hilfe. Weil, obwohl Medusa dadurch zu ewiger Einsamkeit verdammt wurde, war es ihr doch möglich, sich gegen (beinahe) jegliche Übergriffe durch Männer zu wehren. Niemand konnte ihr zu nahe kommen (und nein, ich meine nicht Odysseus) und dadurch war sie sicher — natürlich nur, bis Perseus kam.
Am Ende war sie eine Trophäe, eine hübsche Frau, die zu Beginn nur ausgenützt wurde und zum Schluss erneut. Deswegen sollten wir meiner Meinung nach beim Lesen solcher Mythen wirklich aufpassen, was wir glauben wollen und welche Moral überliefert wird, welcher Kern der Geschichte im Laufe der Übersetzungen noch erkennbar ist und was wir mit diesen Informationen anfangen.
Ich denke, es ist wichtig uns von diesen beiden Sagengestalten zeigen zu lassen, dass, auch wenn man als Frau ausgenutzt, beschmutzt, verstoßen und allein gelassen wird, irgendwo andere sind, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, die einen unterstützen, ihre Geschichten teilen und lehren können, wie man das Schlimmste übersteht. Damals wie heute gibt es Heldinnen, die für ihre Rechte einstehen und mit ungerechten Bestrafungen leben lernen.
Circe und Medusa sind antike Zeuginnen davon, dass man sich als Frau nicht unterkriegen lassen muss und, obwohl man wie in diesem Fall als „Bestie“ dargestellt wird, man sich selbst verwirklichen soll und in schwierigen Situationen überleben kann.
Von Damaris Schreckenbauer