Willow Project
Der Vertrauensbruch von Joe Biden?
Die Planung eines überdimensionierten Öl-Bohr-Projekts in Alaska sorgte international für Empörung und stieß auf heftigen Gegenwind. Das sogenannte „Willow Project“ soll jetzt aber trotz verheerender Folgen umgesetzt werden und hat sogar die Unterstützung der US-Amerikanischen Regierung.
Für diejenigen, an denen die News vorbeigegangen sind, ein kurzer Faktencheck:
Das sogenannte „Willow Project“ ist ein Projekt im Norden des US-Bundesstaats Alaska in der Region North Slope, das über 30 Jahre hinweg 600 Millionen Barrel Öl fördern soll (das entspricht rund 95 Milliarden Litern an Erdöl). Das Projekt würde Berechnungen zufolge während seiner gesamten Laufzeit etwa 280 Millionen Tonnen Treibhausgas freisetzen.
Der Auftraggeber ist der Erdöl Großkonzern Conoco Phillips, der unter anderem die Jet Tankstellen betreibt. Dieser pachtet bereits seit Jahrzehnten einen Teil des Nationalen Erdöl-Reservats Alaska, kurz NPRA, vom Staat, in der Hoffnung, auf Ölvorkommen zu stoßen.
2016 war es dann auch soweit und so beantragte Conoco Phillips die Bodenschätze aus dem Erdboden zu heben. Unter Trumps Regierung bereits genehmigt, kam das Vorhaben nach Amtsaufnahme von Joe Biden zu einem raschen Halt - und wurde schlussendlich doch genehmigt.
Da das Gebiet, auf dem das NPRA liegt, sogenanntes „federal land“ ist - also Land, das der Regierung gehört - müssen alle Firmen, die dort nach Bodenschätzen suchen wollen, einen Teil dieses Landes pachten. Sollten diese Ölfirmen Erfolg haben, ist es rechtlich beinahe unmöglich, die Förderung des Erdöles zu verhindern, da die Bodenschätze des verpachteten Gebiets dem jeweiligen Konzern gehören.
Und was hat die Regierung davon?
Es geht, wie immer, um Geld. Die anfallenden Pachtgebühren und Steuern allein wären durchaus rentabel. Hinzukommen aber auch noch die nicht allzu gering ausfallenden Provisionen, die Firmen bei erfolgreicher Ölförderung an den Staat auszahlen müssen.
Biden hatte 2020 ein Wahlversprechen gemacht: Es sollte keine Bohrungen mehr auf staatlichem Boden geben. Genau dieses hat er jetzt gebrochen. Aber dafür muss es doch gute Gründe geben, oder?
Naja, zuerst einmal bringt das Projekt sehr viel Geld für den Staat ein und hält gleichzeitig die Verbraucherkosten für Öl und Gas niedrig. Es werden ergo zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen (eine weiteres Versprechen Bidens im Zuge seines Wahlkampfes).
Zudem stellt „Willow“ eine sichere Energiequelle für die USA dar, macht sie somit noch unabhängiger von Importen und anderen Nationen, was vor allem in Anbetracht der gegenwärtigen Energiekrise ein wichtiger Schachzug zu sein scheint.
Oder kann es vielleicht auch sein, dass Joe Biden auf den gut gemeinten Rat von zwei alaskischen Politikern hin gehandelt hat? Zwei Politiker, die er - ganz nebenbei bemerkt - dringend auf seiner Seite benötigt, um im tief gespaltenen amerikanischen Kongress die Oberhand zu behalten.
Was spricht noch für die Umsetzung des Projekts?
Für die Umsetzung des Projekts spricht aber auch, dass in dessen Rahmen viele neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft in Alaska angekurbelt wird. Für einen Teil der an das NPRA angrenzenden indigenen Stämme ist „Willow“ ein Hoffnungsschimmer, für einen anderen eine Bedrohung ihrer Existenz. Denn das Land rund herum ist größtenteils unberührt und um das Projekt realisieren zu können, muss zuerst einmal eine Infrastruktur errichtet werden. Dadurch eröffnen sich neue Chancen für bislang abgeschottete Siedlungen indigener Stämme. Andererseits wird durch die Bauarbeiten für benötigte Straßen, Flugplätze und Pipelines viel Natur zerstört und damit wichtige Lebensräume von Eisbären oder Karibus dem Erdboden gleich gemacht (diese Spezies stehen auf der roten Liste). Teile dieser Gebiete sind auch überlebenswichtige Jagdreviere für indigene Gemeinden und werden durch die Infrastruktur des Projekts unbenutzbar gemacht.
Die Umweltschädlichkeit des Projekts ist mit dem hohen CO2 Ausstoß offensichtlich. In einem Jahr werden hier ungefähr 9,2 Millionen Tonnen emittiert, was dem jährlichen Ausstoß von 2 Millionen Verbrenner-Autos entspricht.
Wegen der negativen Einflüsse des „Willow Project“ auf Tiere, Natur, indigene Bevölkerung und Klima gibt es zahlreiche Onlinepetitionen, Briefe an das Weiße Haus und Klagen von Greenpeace und anderen Umweltorganisationen. Das Projekt noch zu stoppen, scheint jedoch von Tag zu Tag unwahrscheinlicher zu werden. Immerhin hat die Regierung einen Tag vor der Genehmigung Öl- und Gasbohrungen im arktischen Ozean eingeschränkt und neue Erschließungen von 5,26 Millionen Hektar Land im NPRA-Gebiet verboten.
Eine Art Wiedergutmachung und Schadensbegrenzung oder doch eher ein Ablenkungsmanöver?
Bei dieser Debatte sollte eines jedenfalls klar geworden sein: Die USA wirkt mit jedem weiteren Schritt in die Richtung von Projekten wie Willow ihrer bis 2050 selbst angestrebten Klimaneutralität entgegen und scheint sich der großen Verantwortung, die sie der gesamten Weltgemeinschaft gegenüber hat, nicht bewusst zu sein oder schafft es zumindest, diese gekonnt zu ignorieren.
Von Lysanne Hörl