Bildungssystem

Wann wacht Deutschland endlich aus dem Bildungs-Dornröschenschlaf auf?

Wenn es ein Wort gibt, welches die deutsche Bildungspolitik aus ihrem Dornröschenschlaf reißen kann, dann ist es wohl das Wort „Pisa“. Obwohl, eigentlich nicht einmal das. Denn die Rede ist nicht vom Schiefen Turm von Pisa, die Rede ist von der gleichnamigen Studie.  Und dann stellt man sich die Frage, wie viele Pisa-Schocks Deutschland eigentlich noch braucht, um endlich aus der Trance aufzuwachen und in Sachen Bildung das aufzuholen, was jahrelang versäumt wurde.

Auch wenn Verfechter des deutschen Bildungssystems krankhaft versuchen, irgendwie das zu verteidigen, was Politiker „gerechte Bildung für die Arbeitnehmer von morgen“ nennen, so ist es an der Zeit, dass endlich jeder erkennt, dass es so nicht weitergehen kann.

Nehmen wir zum Beispiel den Faktor „Soziales Würfelglück“:

Leider entscheidet nicht nur die geistige Intelligenz darüber, welche Noten ein Schüler bekommt, sondern auch das soziale Umfeld, die finanzielle Lage der Eltern sowie schlichtweg unterschiedliche Lehrpersonen, welche schlussendlich die individuellen Förderungsmöglichkeiten beeinflussen. Fakt ist, dass sozial benachteiligte Schüler*innen, die in Brennpunktgebieten leben und wenig finanziellen Spielraum haben, viel weniger gefördert werden als wohlhabendere Schüler*innen mit derselben Begabung. Klar, denn die Brennpunktschule in Bahnhofsnähe wird niemals die selben Bildungschancen bieten als Schloss Salem.

Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2010 zeigt, dass auch der Beruf der Eltern gewissermaßen über die schulische Laufbahn entscheidet: So studieren etwa 71 Prozent der Akademikerkinder, also jene, deren Eltern ebenfalls studiert haben. Im Gegensatz dazu steht, dass nur 24 Prozent der Nichtakademikerkinder, also Kinder von Arbeitern, ein Studium beginnen. Und das liegt sicher nicht daran, dass Arbeiterkinder weniger studiumsgeeignet sind.

Natürlich sind Arbeiter und Nichtakademiker dringend notwendig für den deutschen Staat, ohne sie würde nichts funktionieren, doch ist es auch wichtig, besondere geistige Fähigkeiten zu fördern, z. B. im Rahmen eines Studiums.

Des Weiteren ist auch die finanzielle Förderung durch den Staat ein wichtiger Faktor dafür, warum das deutsche Bildungssystem, beziehungsweise der deutsche Investitionsrückstand in Sachen Bildung, Aufholbedarf hat

Des Weiteren ist auch die finanzielle Förderung durch den Staat ein wichtiger Faktor dafür, warum das deutsche Bildungssystem, beziehungsweise der deutsche Investitionsrückstand in Sachen Bildung, Aufholbedarf hat. Studien zeigen, dass Deutschland nur 9,6 Prozent der gesamten Staatsausgaben in Bildung investiert. Im Vergleich dazu steht beispielsweise Estland: Dort werden 15,1 Prozent für Bildung ausgegeben.

Auch wenn andere Faktoren ebenfalls ausschlaggebend sind, so ist auffällig, dass Estland an der Spitze des PISA-Rankings von 2018 steht, wohingegen sich Deutschland abgeschlagen auf dem 20. Rang befindet. Würde auch die Politik begreifen, dass endlich mehr in Bildung investiert werden muss und diese auch einen höheren Stellenwert bekommen sollte, so würden sich die Bildungsmöglichkeiten durchaus verbessern. Denn Fakt ist leider, dass sich in vielen deutschen Schulen der Investitionsrückstand bemerkbar macht. Marode Schulgebäude, wenig technische Ausstattung, verschmutzte Toiletten und verwilderte Pausenhöfe steigern die Lust auf einen Schulbesuch nämlich ganz und gar nicht. Und wer nicht gern die eigene Schule betritt, der wird sich auch schwer für den Schulstoff begeistern können.

Apropos Schulstoff und Lehrplan: So sind sich, laut einer Studie aus dem Jahr 2022, 93 Prozent der befragten Schulleiter*innen einig, dass Lehrpläne auch Themen wie „Digitalisierung“, „Ernährung und Gesundheit“, „Finanzielles Verständnis“ sowie „Demokratie“ beinhalten sollten

Apropos Schulstoff und Lehrplan: So sind sich, laut einer Studie aus dem Jahr 2022, 93 Prozent der befragten Schulleiter*innen einig, dass Lehrpläne auch Themen wie „Digitalisierung“, „Ernährung und Gesundheit“, „Finanzielles Verständnis“ sowie „Demokratie“ beinhalten sollten. Schüler*innen diese Inhalte zu vermitteln, sollte ebenso priorisiert werden, wie das Lehren grundlegender mathematischer Kompetenzen. Denn im späteren Leben, wenn Steuererklärungen, Versicherungen und Mietverträge eine Rolle spielen, können einem Polynomdivisionen und Quantenphysik nicht weiter helfen.

Natürlich sind noch viele Gründe dafür verantwortlich, dass Bildung in unseren Schulen so ist, wie sie eben ist: weit unter dem Niveau, welches in einem reichen Industriestaat wie Deutschland erwartet werden könnte. Diese jedoch alle aufzuzählen, würde absolut den Rahmen sprengen.

Schlussendlich muss sich jede*r seine eigene Meinung über die deutsche Bildungspolitik bilden, denn schließlich hat diese nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile im Vergleich zu anderen Ländern. Und doch ist es an der Zeit aufzuwachen und etwas zu verändern, die individuelle Förderung der einzelnen Schüler*innen noch mehr zu priorisieren und allen, egal welcher Herkunft und welchen Vermögens, die bestmöglichsten Bildungschancen zu garantieren. Damit die Arbeitnehmer*innen von morgen als Schüler*innen von heute auf die Probleme von übermorgen bestmöglichst vorbereitet werden.

Von Lena Einsiedl