Interview mit Caroline Wahl

„Ich glaube, meine Schreibtechnik ist so rausgerotzt!“ — Caroline Wahl im Interview mit der JOpinion

Caroline Wahl — obwohl die Autorin noch am Anfang ihrer Karriere steht, verbucht sie bereits mit ihrem Debutroman große Erfolge. „22 Bahnen“ wird Buch des Monats Mai, es folgen zahlreiche Lesungen in ganz Deutschland. In dem Roman geht es um eine junge Frau namens Tilda, die sich wegen der Alkoholsucht ihrer Mutter neben Job und Studium auch um ihre kleine Schwester kümmert.

JOpinion: Was war denn die Inspiration für Ihr Buch „22 Bahnen“?

Caroline Wahl: Ich habe früher immer gerne Bücher gelesen, in denen es um junge Frauen geht, die aus schwierigen Verhältnissen kommen und sich so durchboxen und wollte auch so eine Heldinnenfigur schaffen.

Also würden Sie Tilda als Heldin bezeichnen?

Ja, schon. Sie ist sehr stark und in der Art und Weise, wie sie sich für ihre Schwester einsetzt, ist sie eine Heldin.

Ein Buch aus meiner Kindheit, das extrem prägend war, war Cornelia Funkes „Tintenherz“. Das war mein erstes Lieblingsbuch. Danach ging Lesen für mich los.
— Caroline Wahl

Was ist Ihr Lieblingsroman?

Ein Buch aus meiner Kindheit, das extrem prägend war, war Cornelia Funkes „Tintenherz“. Das war mein erstes Lieblingsbuch. Danach ging Lesen für mich los. Ich war immer in meinem Kinderzimmer, habe laut gelesen und geschaut, ob ich auch eine Zauberzunge habe (Lacht).

Was war Ihr Traumberuf als Kind?

Also ich würde sagen, dass es nicht Autorin war. Jetzt ist es der absolute Traumberuf und ich will nie wieder etwas anderes machen. Früher … eher irgendwas mit Sprache und Literatur.

War Deutsch früher Ihr Lieblingsfach?

Nein, es war tatsächlich Mathe. Ich habe Deutsch extrem gemocht, aber ich war irgendwie nie so gut. Ich hatte in der Oberstufe eine Deutschlehrerin, die mir immer nur 9 Punkte gegeben hat. Deswegen dachte ich auch, dass ich nicht so gut schreiben kann.

Was würde Ihr Zehnjähriges Ich über ihr jetziges Ich denken?

Ich glaube, dass mein Zehnjähriges Ich das ziemlich cool fände, was ich gerade so erlebe.

Hätten Sie sich als Kind also schon vorstellen können, Schriftstellerin zu werden?

Nein, gar nicht. In der Grundschule habe ich mit meiner Mutter — die Deutschlehrerin ist — Aufsätze geübt. Mir war nie so bewusst, dass das Schreiben meine Stärke ist.

Ich glaube, dass mein Zehnjähriges Ich das ziemlich cool fände, was ich gerade so erlebe.
— Caroline Wahl

Haben Sie eine bestimmte Schreibtechnik?

Ich glaube, meine Schreibtechnik ist so „rausgerotzt“ (lacht), unmittelbar das schreiben, was ich denke. Ich versuche Gefühle oder was ich denke oder was man manchmal empfindet, auszudrücken.

 Ist das auch der Grund dafür, dass es keine Anführungszeichen im Roman bei der wörtlichen Rede gibt, dass so wirklich diese Unmittelbarkeit ausgedrückt werden soll?

Ich wollte, dass nur das Gesagte da ist und auch nicht so ein Flüstern, dass es nicht zu kompliziert ist, weil ich auch glaube, dass Tilda es so reduziert mag.

Hatten Sie schon von Anfang an eine detaillierte Vorstellung von Ihren Figuren oder entwickeln sie sich erst im Laufe des Schreibprozesses?

Sie entwickeln sich auf jeden Fall. Tilda war schon recht konkret da, von ihrer Art. Aber Viktor nicht! Wenn ich eine Szene schreibe, dann muss ich schon auch überlegen: „Wie würde er denn jetzt reagieren?“. Sie entwickeln sich auf jeden Fall mit mir mit und sie sind auch sehr lebendig.

Sind alle Ihre Charaktere rein fiktiv, oder haben Sie sich von Ihrem Umfeld inspirieren lassen?

Also ich glaube, man holt sich überall Inspirationen. Von Serien, von Menschen, die man trifft. Es gibt zum Beispiel die eine Szene, in der Ida, die kleine Schwester der Protagonistin, ein Schwein mit einer Flosse malt. Das war eigentlich meine Nichte.

Wie fallen Ihnen Geschichten ein?

Ich glaube, ich beobachte sehr viel und war schon immer auch als Kind sehr verträumt. Ich konnte mich unheimlich gut mit mir selbst beschäftigen. Dann sind eben beim Barbie spielen schon Geschichten im Kopf entstanden. Wenn ich im Zug bin und jemand etwas Interessantes oder Lustiges sagt, merke ich mir das immer.

Schreiben Sie sich so etwas auch immer gleich auf?

Nein, ich habe kein Notizheft. Wenn es etwas komplett Bewegendes wäre, würde ich es wahrscheinlich in mein Handy eintippen und eine Mail an mich selber schreiben (lacht).

 Wenn Sie Ihr Buch „22 Bahnen“ in zwei Wörtern zusammenfassen müssten, welche wären es?

Schön und traurig.

Wird es irgendwann eine Verfilmung geben?

Ja, hoffentlich.

Darf man schon fragen, worum es in Ihrem nächsten Roman gehen wird?

Es geht um Ida, zehn Jahre später. Es ist aber eher eine eigene Geschichte und keine Fortsetzung zum ersten Buch.

Erfährt der Leser darin noch mehr über die Situation mit der Mutter?

Die Mutter ist hier dann vielleicht schon gestorben und es geht darum, dass Ida dann von zuhause auf eine Insel flüchtet und immer wieder von der Vergangenheit eingeholt wird. Und natürlich auch auf einen Typen trifft.

Warum sollte man Ihren Roman gelesen haben?

Weil er richtig gut ist! (Lacht)

Danke für das tolle Interview!

Isabelle Seeberger, Caroline Wahl und Lysanne Hörl beim Interview

Das Interview führten Lysanne Hörl und Isabelle Seeberger