AB Ins Abenteuer
Mein neues Leben in Togo
Gastfreundschaft, wuseliges Straßenleben und scharfes Essen - das verbinde ich mittlerweile mit dem westafrikanischen Land Togo. Schon seit November 2021 verbringe ich hier meinen 10-monatigen Freiwilligendienst und hätte nicht glücklicher über diese Entscheidung sein können.
Schon lange war mir klar, dass ich nach dem Abitur raus aus meiner Komfortzone und rein in eine neue Kultur möchte, um eine neue Sprache und neue Menschen kennenzulernen. So bin ich durch die Empfehlung einer Bekannten auf „weltwärts“ gestoßen, einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 28 Jahren. Nach mehreren Telefongesprächen und Internetrecherchen zu einer passenden Einsatzstelle bin ich über die Internetseite von „weltwärts“ (www.weltwaerts.de) auf ein Projekt gestoßen, das mir sofort sehr gut gefallen hat und so fiel meine Wahl auf das JATO in Lomé, der Hauptstadt Togos.
Das JATO (Jeunesse Antonienne Togolaise) ist ein Heim für junge Mädchen, denen es nicht möglich ist, in ihren Familien zu leben. Oft liegt das daran, dass nur noch ein Elternteil lebt und somit finanzielle Schwierigkeiten bestehen. Aber auch durch psychische Probleme oder Gewalt der Eltern kann es sein, dass die Mädchen ihre Familie verlassen oder aus dieser herausgeholt werden müssen. Das Ziel des Heims ist es dennoch, eine Wiedereingliederung der Mädchen in ihre Familien zu erreichen, wodurch auch Hausbesuche und Elterngespräche organisiert werden. Im Moment leben 20 Mädchen im Alter von sieben bis 18 Jahren im JATO, die dort vor allem in der Absolvierung ihrer Schullaufbahn unterstützt werden. Es gibt insgesamt drei „Tatas“ (Erzieherinnen), einen Psychologen und die Gründerin des JATOs, die sich um die Mädchen und um alles Organisatorische kümmern. Seit November arbeite auch ich von Montag bis Freitag im Heim und verbringe dort teilweise die Wochenenden.
Nach vier Wochen „Einfindungszeit“, in denen ich vor allem viel beobachtet und zugeschaut habe, konnte ich mich nach und nach immer besser in den Alltag der Mädchen integrieren. So unterstütze ich sie bei den Hausaufgaben, beim Lernen und bereite ihnen oft auch eigene Aufgaben vor. Besonders in Englisch haben viele Mädchen Probleme, wodurch mein Fokus bei den älteren Mädchen zum Großteil auf diesem Fach liegt. Jedoch gibt es im JATO auch außerhalb der Schule immer etwas zu tun: die Mädchen kochen und machen den Haushalt, sie arbeiten im Garten und waschen ihre Kleidung (was man hier in Togo immer per Hand macht). Wenn ich dann versuche, beim Pâte-Kochen (das togoische Nationalgericht aus Maisbrei) oder beim Unkraut-Zupfen zu helfen, merke ich immer wieder, wie selbstständig und selbstverständlich die Mädchen mit anpacken und die Hausarbeiten besser erledigen als ich es könnte.
Zwischen dem Haushalt und dem Lernen bleibt oft noch Zeit für zahlreiche Aktivitäten und so spiele, male und bastele ich gerne mit ihnen. Auch eine wöchentliche Diskussionsrunde zu verschiedenen Themen wird im JATO organisiert, um die Mädchen auf das spätere Leben vorzubereiten. Dabei geht es um Bereiche wie die Zukunft, angemessenes gesellschaftliches Verhalten oder den Umgang mit Verlusten. Außerdem wird ihnen in Gesprächsrunden die Möglichkeit gegeben, Probleme mit anderen Mädchen oder Tatas anzusprechen, für die anschließend zusammen nach einer Lösung gesucht wird.
Insgesamt durfte ich durch meine Arbeit im JATO sehr viel Wichtiges über das Zusammenleben in einem Heim sowie über mich selbst lernen. Denn obwohl die Mädchen alle aus schwierigen Familienverhältnissen kommen und es in der Vergangenheit oft nicht leicht für sie war, wird ihnen im JATO ein offenes Ohr geschenkt und die Mädchen und Tatas helfen sich gegenseitig und leben zusammen wie in einer Familie.
Diese gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt sind neben einer unglaublichen Offenheit nur einige Werte, die mir in Togo sehr positiv aufgefallen sind. Generell fühle ich mich in Lomé inzwischen sehr wohl und genieße meine Freizeit mit vielen Marktbesuchen (hier wird fast alles an kleinen Ständen an der Straße verkauft), die ich zusammen mit meinen drei „Mitfreiwilligen" unternehme. Auch in das WG-Leben habe ich mich sehr gut eingefunden und so gehören Wasch- und Putztage sowie Kochabende zum Alltag. Wenn man sich in der Küche an togoischen Gerichten wie Fufu (ein Brei aus Yams-Wurzel) oder Ayimolu (ein Gericht aus Reis und Bohnen) versucht, kommen oft noch togoische Freundinnen und Freunde zum Essen vorbei.
Seit Mitte Juni sind die Mädchen des JATOs zurück bei ihren Eltern oder anderen Verwandten, da sie dort ihre Schulferien verbringen, die noch bis zum September dauern. Deshalb habe auch ich freie Zeit und beschäftige mich mit der Spendensuche für mein Projekt, da durch die Coronaeinschränkungen und die weltweite Preissteigerung die finanzielle Lage im JATO momentan zunehmend schwierig wird. Weil das Heim meiner Meinung nach sehr gut organisiert ist und eine wichtige Arbeit für den Schutz vieler Mädchen leistet, die sonst wenig Zukunftschancen hätten, würde ich mich sehr über jegliche finanzielle Unterstützung freuen. Wer meiner Einsatzstelle gerne helfen möchte oder noch weitere Fragen zu meinem Freiwilligendienst hat, kann sich gerne jederzeit unter sophieschultes@web.de bei mir melden.
Von Sophie Schultes